Lieber Dennis,
Ich finde, du gehst zu aggressiv mit diesem Thema um. Ich habe das Gefühl, du unterstellst den Leuten, die nicht krank sind, dass sie dein Schicksal (wenn ich das richtig verstanden habe, bist du doch ein Betroffener?) nicht interessiert. Aber jeder muss ja selbst wissen, wie er diskutiert
Ich habe das große Glück, mit einer guten Gesundheit gesegnet zu sein (außer einer chronischen Nebenhöhlenentzündung

, puh, erst dachte der Arzt es wäre Asthma

). Ich habe diesen Thread gelesen und mich gefragt, wie ich reagieren würde, wenn jemand aus dem Bekanntenkreis plötzlich schwerkrank, vielleicht todkrank wird. Und dann fiel mir ein Mädchen aus meiner Klasse ein, damals war ich 12. Sie hatte Leukämie und musste für Monate ins Krankenhaus, keiner wusste, ob sie die Chemo verträgt und ob sie sich wieder erholt.
Ich habe sie nie dort besucht, obwohl sie mir sehr Leid tat.
Der Grund war, dass ich damals einen sehr schlechten Stand hatte, ich war als Streberin verschrien und wurde gemobbt, auch von ihr. Es tat mir in der Seele weh, ihr nicht beizustehen, aber ich konnte mich nicht überwinden, ihr quasi die Hand zu reichen.
Sie hat ihre Krankheit besiegt, sie hat ihr Abitur ein Jahr nach mir gemacht. Was sie jetzt tut weiß ich nicht, ich habe keinen Kontakt.
Mein Onkel hat seit letztem Jahr eine seltene Krankheit, die mit den Thrombozyten im Blut zu tun hat (schwer zu erklären, einen richtigen Namen hat diese Krankheit bisher auch nicht). Jede Woche bin ich zu ihm in die Uniklinik gefahren, so wie jeder aus meiner Familie, damit er nicht einen Tag allein sein muss. Meine Familie hält immer zusammen, egal was ist. Erst nach zwei Monaten durfte er entlassen werden, er muss nur alle paar Wochen wieder in die Klinik. Er muss jeden Tag zwei Tabletten zu ja 75 Euro schlucken, aber ansonsten geht es ihm gut - vielleicht auch, weil wir ihn nicht im Stich gelassen haben. Er ist eigentlich eine Frohnatur, aber da im Krankenhaus war er an einem Tiefpunkt angelangt, er hat nach dem Sinn gefragt und wie es weitergehen soll. Aber weil wir immer da waren, glaube ich, hat er dann doch im Leben noch einen Sinn gefunden.
Auch bei Familienfesten, bei denen er nicht dabei sein konnte, wurde immer auf ihn und seine baldige Genesung angestoßen. Ich denke, das hat auch uns als Angehörige sehr geholfen. Keiner hat darüber geschwiegen, was mit meinem Onkel passieren könnte, vielleicht hätte er für immer im Krankenhaus bleiben müssen, weil noch keine Therapie existiert!
Ich habe Angst vor dem Tod, ich denke wie jeder hier. Ich wüsste nicht so recht, wie ich mit Leuten umgehen soll, die eine solche Krankheit haben, verletze ich sie etwa, wenn ich sie nach ihrem Befinden frage? Und wenn ich es nicht tue, gelte ich dann als ignorant? Das ist in etwa so, wie wenn man jemanden begegnet, der in einem Rollstuhl sitzt. Schaut man ihn an, wird man vielleicht als Gaffer interpretiert, schaut man weg, möchte man "nichts mit ihm zu tun haben weil er im Rollstuhl sitzt". Wenn ich aber jetzt einfach so über eine Straße gehe und sehe gesunde Menschen, schaue ich auch nicht jeden an, und es wird nicht irgendwie interpretiert. Mit diesen Leuten habe ich nichts zu tun (und werde ich höchstwahrscheinlich auch nie). Es ist die einfache Unsicherheit, wenn man jemanden sieht, der offensichtlich krank ist - man weiß nicht, wer diese Person ist und wie er auf was reagieren würde.
Es ist schwierig für mich, meine Gedanken und Gefühle zu diesem Thema auszudrücken, ich bitte daher um Entschuldigung
