Redtube: Abmahnwahn vorerst gestoppt




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Redtube: Abmahnwahn vorerst gestoppt

Beitragvon Dreamer » Sa 21. Dez 2013, 04:09

Die inzwischen wohl bekannteste deutsche Abmahnkanzlei Urmann + Collegen (kurz U+C) bekommt nun auch Gegenwind von der Justiz. So konnte der Betreiber der Porno-Plattform Redtube beim Hamburger Landgericht eine einstweilige Verfügung erwirken, die es der Schweizer Firma The Archive AG vorerst untersagt, weitere Redtube-Nutzer abzumahnen. The Archive will Rechteinhaber der entsprechenden Filmchen mit eindeutigen Titeln sein und hat massenhaft Abmahnungen versenden lassen. Das scheint wohl aber nicht zulässig zu sein.

Auch das Landgericht Köln rudert zurück: Laut einer Pressemitteilung seien viele Richter inzwischen der Ansicht, dass ihre Entscheidungen fehlerhaft seien. Das LG Köln musste entscheiden, ob der Provider (hier die Deutsche Telekom) die Namen und Adressen der Anschlussinhaber herausgeben darf. Die Anträge beim LG Köln hatte nicht etwa ein Anwalt der Kanzlei U+C gestellt, sondern ein Anwalt aus Berlin. Diesem wird unterstellt, die Anträge irreführend verfasst zu haben, so dass die Richter davon ausgehen mussten, dass es nicht um Streaming, sondern um Filesharing ginge. Beim Filesharing besteht ja Einigkeit, dass es sich hierbei um einen Urheberrechtsverstoß handelt.

Im Gegensatz dazu ist die Rechtslage beim Streaming unklar, es fehlt hier eine entsprechende Gerichtsentscheidung. Aus der Sicht des durchschnittlichen Internetnutzers ist Streaming mit dem herkömmlichen Fernsehen vergleichbar. Damit das am Rechner funktioniert, muss das Video für die Dauer der Betrachtung zwischengespeichert werden. Dieser Vorgang könnte eine urheberrechtlich relevante Vervielfältigung darstellen. Dann stellt sich die Frage, ob die Quelle offensichtlich rechtswidrig ist oder nicht. Das bedeutet im Klartext, dass man sich ein Video dann nicht anschauen darf, wenn man davon ausgehen kann, dass es nicht legal hochgeladen wurde. Legal bedeutet hier vom jeweiligen Rechteinhaber. Inzwischen wird aber eine Offensichtlichkeit allein schon deswegen weitgehend verneint, weil die Rechtslage unklar ist.

Diese Ansicht ist auch lebensnah. Letztendlich ist das Betrachten eines Videos nur ein Klick. Wenn sich schon die Juristen bis heute nicht einig sind, kann man von einem Laien in diesem einen Augenblick keine treffende Einschätzung erwarten. Hinzu kommt, dass man häufig erst beim Anschauen erkennen kann, ob ein Film geschützt ist und demjenigen, der ihn hochgeladen hat, gar nicht gehört.

Dennoch verschickt man nun Abmahnungen nach dem Gießkannenprinzip. Die Quote der Zahlenden soll bei 20 bis 30 % legen. Bei einer Gebühr von 250 € je Abmahnung und 10.000 verschickten Abmahnungen wird sich das wohl schon lohnen. Die Abmahner nutzen hier zum einen die unklare Rechtslage aus, zum anderen die Tatsache, dass sich ein bloßes Betrachten im Internet anders als sonst sehr leicht registrieren lässt. Dazu hat The Archive eine andere Firma beauftragt, mittels einer Software die IP-Adressen auszuwerten, die Rückschlüsse auf den Nutzer erlauben. Mit der IP-Adresse alleine kann man noch nichts anfangen, es ist nur eine Zahl, aus der sich nichts ableiten lässt. Nur beim entsprechenden Internetanbieter kann man in Erfahrung bringen, welchem Anschluss eine IP-Adresse zu einem bestimmten Zeotpunkt zugeordnet war.

Seitdem das Bundesverfassungsgericht die Vorratsdatenspeicherung gekippt hat, besteht hierzu derzeit keine eigene gesetzliche Regelung, sondern es gelten nur die allgemeinen Bestimmungen zum Datenschutz. Daher unterscheidet sich die Speicherung von Provider zu Provider. Manche speichern gar nicht, manche (darunter die Telekom) mehrere Wochen. Ersteres ist aus Sicht der Redtube-Nutzer vorteilhaft, schützt es doch vor (berechtigten und unberechtigten) Abmahnungen. Wo keine Daten gespeichert werden, kann auch kein Gericht die Herausgabe erzwingen.

Auffällig bei der Ermittlung der IP-Adressen ist, dass The Archive AG laut ihrer Webseite selber Anbieter einer solchen Software ist, gleichzeitig aber Rechte an den jeweiligen Filmen hat und ein anderes Unternehmen mit der Überwachung beauftragte. Inzwischen will man aber wissen, dass beide Firmen zusammengehören.

Viele Betroffene erklärten, dass sie Redtube gar nicht kennen. Das deutet darauf hin, dass sie möglicherweise in betrügerischer Weise durch entsprechende Schadsoftware zu Redtube und da gezielt auf die Videos von The Archive umgeleitet wurden, ohne dass sie das wollten.

Es gibt weitere Unstimmigkeiten und Vorwürfe gegen die an den Abmahnung beteiligten Firmen und Anwälte. Es bleibt also spannend. Wer hat die Videos hochgeladen und zu welchem Zweck?

Insgesamt deutet momentan vieles daraufhin, dass die Abmahnungen unwirksam sind, weil sie rechtsmissbräuchlich oder sogar mit Betrugsabsicht verschickt wurden. Die Abmahngebühren wären dann in jedem Fall nicht rechtmäßig erlangt. Wer schon bezahlt hat, könnte sich das Geld theoretisch bei The Archive in der Schweiz wiederholen. Praktisch stehen Aufwand und Kosten bei der grenzüberschreitenden Geltendmachung eher kleinerer Beträge in keinem Verhältnis. Auch diesbezüglich hat das Gießkannenprinzip aus Sicht der Abmahner einen Vorteil.
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Re: Redtube: Abmahnwahn vorerst gestoppt

Beitragvon PureJoy » Di 18. Sep 2018, 12:26

Drecksäcke ;)
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