Seite 1 von 1

Arbeitnehmerdatenschutz auf den Weg gebracht

BeitragVerfasst: Do 26. Aug 2010, 10:57
von Dreamer
Die Bundesregierung reagiert auf die Bespitzelungsskandale bei Lidl & Co. und beschloss gestern ein Gesetz zum Arbeitnehmerdatenschutz. Es ist das erste seiner Art. Bislang hat sich der Arbeitnehmerdatenschutz nur aus den allgemeinen Datenschutzbestimmungen (BDSG) und aus der teilweise uneinheitlichen Rechtsprechung ergeben. Erst im letzten Jahr wurde dann in einem Schnellschuss gesetzlich festgelegt, welche Daten ein Unternehmen über seine Mitarbeiter speichern und nutzen darf. Allerdings brachte diese Vorschrift kaum Neues, was nicht schon aus anderen Bestimmungen bekannt war. Das neue Gesetz soll nun umfassend sein und endgültige Klarheit verschaffen. Es muss noch den Weg durch den Bundestag gehen, sein Inkrafttreten gilt aber als sicher.

Demnach soll die verdeckte (heimliche) Kamerüberwachung gänzlich verboten werden (außer bei konkretem Verdacht auf Straftaten). In Umkleiden, Sanitärbereiche und Schlafräume etc. darf gar nicht videoüberwacht werden. In den sonstigen Bereichen dürfen Kameras installiert werden, wenn darauf hingewiesen wird und ein sachlicher Grund vorliegt. Damit wird das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer über die Interessen der Arbeitgeber (wie Schutz des Eigentums, Aufdeckung von Fehlverhalten) gestellt.

Kommentar: Das ist gut und schön, aber so verstieß die Kameraüberwachung bei Lidl bereits gegen bisher geltendes Recht. Das Problem besteht vielmehr darin, dass sich die Mitarbeiter kaum gegen so etwas wehren können. Nach dem neuen Entwurf müssen sie sich zunächst beim Arbeitgeber beschweren. Derjenige der den Mut dazu aufbringt, wird sich jedoch nicht unbedingt beliebt machen. Im Fall Lidl waren es die Medien und die erschrockene Reaktion der Öffentlichkeit, die den Mitarbeitern zu ihrem Recht verholfen haben. Der Discounter musste nachbessern, um Imageverluste zu vermeiden. Die nun vorgesehenen Bußgelder hauen einen Großkonzern jedoch nicht aus den Socken. Das erkennt man auch am Ausspähen von E-Mails etc., was bisher schon verboten ist. Dennoch gibt es massenhaft Fälle, wo es trotzdem passierte.

Ein weiterer Punkt ist das Verbot, Bewerber im Netz zu recherchieren. Erlaubt ist lediglich, sich über potenzielle Mitarbeiter in Karrierenetzwerken zu informieren, alle anderen sozialen Netzwerke sind für den Arbeitgeber tabu, ebenso das typische Googeln.

Kommentar: Diese Bestimmung ist sicher gut gemeint, bleibt aber ein Papiertiger. Denn es ist davon auszugehen, dass die Personalchefs bereits heute Methoden entwickelt haben, diese Recherchen unbemerkt durchzuführen. So werden sie bei Facebook & Co. mit ihrem privaten Account unterwegs sein. EIne Google-Recherche ist sowieso nicht nachzuweisen, wenn sich die Chefs nicht gerade verplappern.

Ebenso soll es zukünftig nicht mehr erlaubt sein, ohne Zustimmung des Bewerbers beim bisherigen Arbeitgeber rückzufragen.


Meine persönliche Meinung dazu ist, dass diese Gesetzesinitiative von einer heilen Welt beim Datenschutz der Arbeitnehmer träumt, diese aber auch nicht viel besser gewährleisten kann als bisher. Am immer rauer werdenden Klima in der Arbeitswelt ändert das jedoch nichts. Immer bessere technische Möglichkeiten (z.B. Ortung der Mitarbeiter über Firmenhandy oder Navigationssysteme) und immer schlechter werdende wirtschaftliche Rahmenbedingungen sorgen für eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen. Die Mitarbeiter wissen, dass sie ersetzbar oder sogar entbehrlich sind und verhalten sich entsprechend ängstlich.

Die Arbeit wird damit trotz sechs Wochen Urlaub (weltweite Spitze) und im Vergleich noch recht guter sozialer Absicherung immer anstrengender und belastender. Das lässt sich mit der harten (meist körperlichen) Arbeit von früher nicht vergleichen. Heute lastet ein immenser Druck auf den Beschäftigten. Permanenter Stress führt auf Dauer vor allem zu psychischen und psychosomatischen Problemen wie Burn-Out etc. Die Folgen belasten dann auch irgendwann die Sozialkassen über Gebühr. Wie zugespitzt die Situation mittlerweile ist, sieht man daran, dass Selbstmordserien nicht nur bei asiatischen Billiglohnproduzenten auftritt, sondern auch bei Firmen in Europa (wie z.B. bei Renault vor einigen Jahren). Viele Arbeitnehmer stecken in dem Dilemma, die unerträglichen Arbeitsbedingungen nicht weiter ertragen zu wollen, aber dennoch eine Familie ernähren zu müssen. Andersrum ist es nicht wenig verbreitet, den Kündigungsschutz durch Mobbing des Mitarbeiters zu umgehen. Dadurch wird derjenige fertiggemacht, damit er selber aufgibt oder durch grobe Fehler auffällt, die dann eine Kündigung ermöglichen. Gegen dieses Mobbing besteht aber kaum Schutz, denn es ist schwierig nachzuweisen und die gesetzlichen Schutzvorschriften sind lange noch nicht ausreichend.

Hat die Politik dies erkannt und wird sie dafür Lösungsansätze liefern?

Verfasst: Do 26. Aug 2010, 10:57
von Anzeige